Negative Strompreise: Wie sie entstehen und was sie für deine Rechnung bedeuten
In den letzten Wochen hat die Preisanzeige unserer Tibber App für Verwirrung gesorgt. Dort wurden nämlich erstmalig negative Stromverbrauchspreise angezeigt. Was zunächst nach einem Bug aussah, war in Wirklichkeit jedoch korrekt. Denn negative Strompreise existieren tatsächlich und bedeuten genau das, was du dir erhoffst: In den betreffenden Stunden wirst du für deinen Verbrauch bezahlt! Wir erklären, wie es dazu kommt.
Ökostrom wirkt! Wie die Erneuerbaren den Strompreis drücken
Dass auch Strom an der Börse gehandelt wird, wissen seit der Energiekrise in 2022 deutlich mehr Menschen als zuvor. Das dort geltende Merit-Order-Prinzip hat mit dazu beigetragen, dass sich die Strompreise derart in die Höhe schrauben konnten. Wir erinnern uns: Die Merit-Order besagt, dass das letzte zur Deckung der Gesamtnachfrage benötigte Kraftwerk den Preis für alle Marktteilnehmer festsetzt. Solange die Nachfrage überwiegend über die Erneuerbaren gedeckt werden kann, ist der Einkaufspreis für Strom relativ niedrig. Wind- und Solarkraftanlagen müssen nämlich so gut wie keine Grenzkosten für jede weitere Megawattstunde aufwenden, weshalb ihr Strom besonders günstig ist. Kraftwerke, die Energie aus fossilen Trägermedien gewinnen, haben hingegen höhere Produktionskosten. Wenn sie zur Nachfragedeckung hinzugeschaltet werden müssen, steigt deshalb der Börsenpreis für alle. Ein Effekt, der während der Energiekrise bitter zu spüren war. Die Hintergründe kannst du hier im Detail nachlesen.
Doch wie gut das System abseits von Krisensituationen funktioniert und wie vorteilhaft es für Verbraucher:innen ist, lässt sich seit Anfang 2023 beobachten. Die Energiewende hatte hierzulande ihre Anlaufschwierigkeiten und trifft nach wie vor auf bürokratische wie technische Hürden. Dennoch schlägt sich der höhere Netzanteil an Ökostrom klar in der Preisentwicklung nieder. Allein in deutschen Privathaushalten wurden im Jahr 2022 bereits 7 Gigawatt zusätzliche Solarleistung installiert. Die gebündelte Folge dieser Unternehmungen in Richtung Netznachhaltigkeit? Der durchschnittliche monatliche Börsenstrompreis lag seit Januar nicht mehr über 13 Cent pro Kilowattstunde. Dank eines besonders milden Winters und einem Frühling mit überraschend vielen sonnen- sowie windreichen Tagen lässt sich immer häufiger das Phänomen negativer Strompreise beobachten. Doch wie kommen diese zustande und was bedeuten sie für dich? Das schauen wir uns jetzt mal genauer an.
Negative Preise: Was passiert dabei am Markt?
Tatsächlich gab es laut Bundesnetzagentur selbst im Krisenjahr 2022 ganze 69 Stunden mit negativen Strompreisen. 2021 waren es 139 und 2020 sogar 298! In den betreffenden Zeitfenstern besteht – einfach ausgedrückt – ein so großes Überangebot an Strom, dass Erzeuger für die Abnahme ihrer Energie kurzzeitig Geld bezahlen, anstatt welches zu bekommen. Das klingt marktwirtschaftlich betrachtet erstmal wenig sinnvoll. Tatsächlich nehmen konventionelle grundlastfähige Stromproduzenten, wie Kohlekraftwerksbetreiber, diese befristeten Verluste jedoch in Kauf. Weil das Hochfahren der Anlagen nach dem Abschalten für sie in der Regel deutlich kostspieliger wäre. Gleichzeitig werden Anlagen von Erneuerbarer Energie teils automatisch vom Netz genommen, um einer Überlastung vorzubeugen. Auch hier sind Betreiber also finanziell betroffen. Zudem gibt es keine Einspeisevergütung mehr, wenn der Strompreis für länger als 6 Stunden negativ bleibt.
Warum du mit dynamischem Tarif am meisten sparst
Und damit endlich zur Seite der Endverbraucher:innen. Wieso hat man trotz zahlreicher Stunden mit negativen Strompreisen bisher so selten etwas von dem hier beschriebenen Phänomen mitbekommen? Für Kund:innen mit Fixpreisverträgen ist die Antwort ebenso ernüchternd wie einfach: Weil hier ein fixer Verbrauchspreis pro Kilowattstunde festgelegt wurde, an dem sich während der Vertragslaufzeit nicht rütteln lässt. Sowohl Preissteigerungen als auch -senkungen werden bei fixen Tarifen lediglich versetzt weitergegeben und das immer im Rahmen eines angepassten, für die nächste Laufzeit geltenden Abschlags.
Anders sieht es bei einem dynamischen Stromtarif wie dem von Tibber aus. Wir geben dir die aktuellen Börsenstrompreise ohne Gewinnmarge weiter. Du zahlst also immer das, was der Strom zu einer bestimmten Stunde kostet. Dass Minuspreise dennoch nur selten vorkommen, liegt an den obligatorischen Steuern, Abgaben und sonstigen Umlagen, die in Deutschland gut zwei Drittel des endgültigen Verbrauchspreises ausmachen. Wir verdienen an diesen Preisbestandteilen keinen Cent, doch sie werden in jedem Fall zum Börsenpreis hinzuaddiert. (Wie genau sich der Verbrauchspreis anteilig zusammensetzt, erfährst du übrigens hier.) Und dennoch durften unsere Kund:innen am Pfingstwochenende 2023 zum ersten Mal Teil eines kleinen Wunders werden: In zahlreichen Regionen Deutschlands zeigte der Preisscreen ihrer Tibber App selbst inklusive Steuern und Abgaben einen Wert im Minusbereich. Das sorgte zunächst für Irritation, die jedoch schnell von Begeisterung abgelöst wurde. Denn als die Verbraucher:innen realisierten, dass es sich um keinen technischen Fehler handelte, sondern sie in den betreffenden Stunden tatsächlich 3 ct/kWh für ihren Verbrauch gutgeschrieben bekamen, war das schon eine kleine Sensation. Noch krasser kam es dann am 2. Juli dieses Jahres. Mit einer Windstärke, die um 81 Prozent stärker als sonst ausfiel, kam es zu unvorhergesehenen Produktionsmengen. Während die grundlastfähigen Kraftwerke auch hier am Netz blieben und den Preissturz ins Negative befeuerten. Ergebnis war, dass eine Megawattstunde am Epex Spotmarkt zeitweise minus 500 € kostete (!!!). Was sich natürlich auch in den Verbrauchspreisen für unsere Kund:innen niederschlug. Zwischen 14 und 15 Uhr des Sonntags bekamen unsere Nutzer:innen mit stündlich dynamischen Abrechnung bis zu 47 Cent je verbrauchter kWh gutgeschrieben. Gerade hier hat es sich also gelohnt, große Verbraucher wie E-Autos mit Netzstrom zu versorgen. Wer wird schließlich nicht gerne für seinen Stromverbrauch bezahlt?
Auch wenn negative Preise super klingen, sind sie auch ein Symptom dafür, dass unser Netz noch immer nicht gut genug auf die Volatilität der Erneuerbaren eingestellt ist. Unser Stromsystem wurde ursprünglich nicht darauf ausgelegt, eine derartige Flexibilität effizient nutzbar zu machen. Dynamische Tarife sind ein wichtiger Teil der Problemlösung. Indem Verbraucher:innen direkt auf Preissignale reagieren können, setzen sie der Überproduktion schließlich eine gesteigerte Nachfrage entgegen. So helfen sie, die Netzstabilität zu sichern, und werden für ihre gute Tat gleichzeitig belohnt.
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