Negative Strompreise: Wie sie entstehen und was sie für deine Rechnung bedeuten
Es kommt vor, dass die Preisanzeige unserer Tibber App für Verwirrung sorgt. Dort werden seit 2023 nämlich immer mal wieder negative Stromverbrauchspreise angezeigt. Was zunächst nach einem Bug aussieht, ist in Wirklichkeit jedoch korrekt. Denn negative Strompreise existieren tatsächlich und bedeuten genau das, was du dir erhoffst: In den betreffenden Stunden wirst du für deinen Verbrauch bezahlt! Wir erklären, wie es dazu kommt.
Ökostrom wirkt! Wie die Erneuerbaren den Strompreis drücken
Dass auch Strom an der Börse gehandelt wird, wissen seit der Energiekrise in 2022 deutlich mehr Menschen als zuvor. Das dort geltende Merit-Order-Prinzip hat mit dazu beigetragen, dass sich die Strompreise derart in die Höhe schrauben konnten. Wir erinnern uns: Die Merit-Order besagt, dass das letzte zur Deckung der Gesamtnachfrage benötigte Kraftwerk den Preis für alle Marktteilnehmer festsetzt. Solange die Nachfrage überwiegend über die Erneuerbaren gedeckt werden kann, ist der Einkaufspreis für Strom relativ niedrig. Wind- und Solarkraftanlagen müssen nämlich so gut wie keine Grenzkosten für jede weitere Megawattstunde aufwenden, weshalb ihr Strom besonders günstig ist. Kraftwerke, die Energie aus fossilen Trägermedien gewinnen, haben hingegen höhere Produktionskosten. Wenn sie zur Nachfragedeckung hinzugeschaltet werden müssen, steigt deshalb der Börsenpreis für alle. Ein Effekt, der während der Energiekrise bitter zu spüren war. Die Hintergründe kannst du hier im Detail nachlesen.
Doch wie gut das System abseits von Krisensituationen funktioniert und wie vorteilhaft es für Verbraucher:innen ist, lässt sich seit Anfang 2023 beobachten. Die Energiewende hatte hierzulande ihre Anlaufschwierigkeiten und trifft nach wie vor auf bürokratische wie technische Hürden. Dennoch schlägt sich der höhere Netzanteil an Ökostrom klar in der Preisentwicklung nieder. Allein in deutschen Privathaushalten wurden im Jahr 2022 bereits 7 Gigawatt zusätzliche Solarleistung installiert. Die gebündelte Folge dieser Unternehmungen in Richtung Netznachhaltigkeit? Der durchschnittliche monatliche Börsenstrompreis lag seit Januar nicht mehr über 13 Cent pro Kilowattstunde. Dank eines besonders milden Winters und einem Frühling mit überraschend vielen sonnen- sowie windreichen Tagen lässt sich immer häufiger das Phänomen negativer Strompreise beobachten. Doch wie kommen diese zustande und was bedeuten sie für dich? Das schauen wir uns jetzt mal genauer an.
Negative Preise: Was passiert dabei am Markt?
Tatsächlich gab es laut Bundesnetzagentur selbst im Krisenjahr 2022 ganze 69 Stunden mit negativen Strompreisen. 2023 waren es sogar 301! In den betreffenden Zeitfenstern besteht – einfach ausgedrückt – ein so großes Überangebot an Strom, dass Erzeuger für die Abnahme ihrer Energie kurzzeitig Geld bezahlen, anstatt welches zu bekommen. Das klingt marktwirtschaftlich betrachtet erstmal wenig sinnvoll. Tatsächlich nehmen konventionelle grundlastfähige Stromproduzenten, wie Kohlekraftwerksbetreiber, diese befristeten Verluste jedoch in Kauf. Weil das Hochfahren der Anlagen nach dem Abschalten für sie in der Regel deutlich kostspieliger wäre. Gleichzeitig werden Anlagen von Erneuerbarer Energie teils automatisch vom Netz genommen, um einer Überlastung vorzubeugen. Auch hier sind Betreiber also finanziell betroffen. Zudem gibt es keine Einspeisevergütung mehr, wenn der Strompreis für länger als 6 Stunden negativ bleibt.
Warum du mit dynamischem Tarif am meisten sparst
Und damit endlich zur Seite der Endverbraucher:innen. Wieso hat man trotz zahlreicher Stunden mit negativen Strompreisen bisher so selten etwas von dem hier beschriebenen Phänomen mitbekommen? Für Kund:innen mit Fixpreisverträgen ist die Antwort ebenso ernüchternd wie einfach: Weil hier ein fixer Verbrauchspreis pro Kilowattstunde festgelegt wurde, an dem sich während der Vertragslaufzeit nicht rütteln lässt. Sowohl Preissteigerungen als auch -senkungen werden bei fixen Tarifen lediglich versetzt weitergegeben und das immer im Rahmen eines angepassten, für die nächste Laufzeit geltenden Abschlags.
Anders sieht es bei einem dynamischen Stromtarif wie dem von Tibber aus. Wir geben dir die aktuellen Börsenstrompreise ohne Gewinnmarge weiter. Du zahlst also immer das, was der Strom zu einer bestimmten Stunde kostet. Dass Minuspreise dennoch nur selten vorkommen, liegt an den obligatorischen Steuern, Abgaben und sonstigen Umlagen, die in Deutschland gut zwei Drittel des endgültigen Verbrauchspreises ausmachen. Wir verdienen an diesen Preisbestandteilen keinen Cent, doch sie werden in jedem Fall zum Börsenpreis hinzuaddiert. (Wie genau sich der Verbrauchspreis anteilig zusammensetzt, erfährst du übrigens hier.) Und dennoch durften unsere Kund:innen am Pfingstwochenende 2023 zum ersten Mal Teil eines kleinen Wunders werden: In zahlreichen Regionen Deutschlands zeigte der Preisscreen ihrer Tibber App selbst inklusive Steuern und Abgaben einen Wert im Minusbereich. Das sorgte zunächst für Irritation, die jedoch schnell von Begeisterung abgelöst wurde. Denn als die Verbraucher:innen realisierten, dass es sich um keinen technischen Fehler handelte, sondern sie in den betreffenden Stunden tatsächlich 3 ct/kWh für ihren Verbrauch gutgeschrieben bekamen, war das schon eine kleine Sensation. Noch krasser kam es dann am 2. Juli desselben Jahres. Mit einer Windstärke, die um 81 Prozent stärker als sonst ausfiel, kam es zu unvorhergesehenen Produktionsmengen. Während die grundlastfähigen Kraftwerke auch hier am Netz blieben und den Preissturz ins Negative befeuerten. Ergebnis war, dass eine Megawattstunde am EPEX Spotmarkt zeitweise minus 500 € kostete (!!!). Was sich natürlich auch in den Verbrauchspreisen für unsere Kund:innen niederschlug. Zwischen 14 und 15 Uhr des Sonntags bekamen unsere Nutzer:innen mit stündlich dynamischen Abrechnung bis zu 47 Cent je verbrauchter kWh gutgeschrieben. Gerade hier hat es sich also gelohnt, große Verbraucher wie E-Autos mit Netzstrom zu versorgen. Wer wird schließlich nicht gerne für seinen Stromverbrauch bezahlt?
Auch wenn negative Preise super klingen, sind sie auch ein Symptom dafür, dass unser Netz noch immer nicht gut genug auf die Volatilität der Erneuerbaren eingestellt ist. Unser Stromsystem wurde ursprünglich nicht darauf ausgelegt, eine derartige Flexibilität effizient nutzbar zu machen. Dynamische Tarife sind ein wichtiger Teil der Problemlösung. Indem Verbraucher:innen direkt auf Preissignale reagieren können, setzen sie der Überproduktion schließlich eine gesteigerte Nachfrage entgegen. So helfen sie, die Netzstabilität zu sichern, und werden für ihre gute Tat gleichzeitig belohnt.
Allgemeine Fragen zum Thema negative Strompreise
Was bedeutet es, wenn in meiner Tibber App negative Strompreise angezeigt werden?
Wenn dir im Preisgraf negative Strompreise angezeigt werden, wirst du in den entsprechenden Stunden tatsächlich für deinen Verbrauch bezahlt. Denn im relevanten Zeitfenster besteht ein Überangebot an Energie, für dessen Abnahme die Erzeuger bezahlen müssen, anstatt bezahlt zu werden. Die konkrete Geldmenge wird dir mit der Monatsabrechnung gutgeschrieben. Wichtig zu verstehen ist, dass dies nur der Fall ist, wenn die Preise selbst inklusive der üblichen Steuern und Abgaben im Minusbereich bleiben. In der App kannst du das schnell überprüfen, indem du den Schieberegler unter "Zusätzliche Preisbestandteile" auf "an" setzt – er ist dann bläulich eingefärbt.
Wie beeinflussen erneuerbare Energien die Preise an der Strombörse?
Erneuerbare Energien haben geringere Grenzkosten. Das sind die Kosten, die für jede weitere produzierte Megawattstunde anfallen. Denn im Gegensatz zu Kraftwerken, die Energie über teure fossile Trägermedien gewinnen, müssen Ökostromanbieter kaum Kosten aufwenden – die Sonne scheint schließlich von allein und auch die Windstärke ist rein wetterabhängig. Je eher die Gesamtnachfrage nach Strom also durch Ökostrom gedeckt werden kann, desto geringer ist der Großhandelspreis am Day-Ahead-Markt, nach dem sich Anbieter wie Tibber richten.
Wie funktioniert das Merit-Order-Prinzip und welche Auswirkungen hat es?
Das Merit-Order-Prinzip bestimmt, dass das letzte zur Deckung der Gesamtnachfrage benötigte Kraftwerk den Preis für alle Marktteilnehmer festlegt. Das kann zu hohen Preisen führen, wenn verstärkt teure fossile Kraftwerke zur Nachfragedeckung hinzugeschaltet werden müssen. Ist der Ökostromanteil hingegen besonders hoch, sind die Marktpreise entsprechend kleiner.
Warum gibt es negative Strompreise und wie oft kommen sie vor?
Negative Strompreise entstehen, wenn es ein deutliches Überangebot an Strom gibt, meist bedingt durch eine ungewöhnlich hohe Produktion an erneuerbaren Energien. Erzeuger zahlen für die Abnahme ihrer Energie dann kurzzeitig Geld, anstatt welches zu bekommen. Das klingt marktwirtschaftlich wenig sinnvoll. Tatsächlich nehmen konventionelle grundlastfähige Stromproduzenten (z.B. Kohlekraftwerksbetreiber) die befristeten Verluste jedoch in Kauf, weil das erneute Hochfahren ihrer Anlagen nach einer Abschaltung noch kostspieliger wäre. Laut Bundesnetzagentur gab es in den letzten Jahren mehrere Stunden mit negativen Preisen, z.B. 298 Stunden in 2020, 139 in 2021 und 69 in 2022.
Warum werden Kraftwerke nicht einfach abgeschaltet, wenn negative Preise entstehen?
Natürlich klingt es marktwirtschaftlich wenig sinnvoll, dass Erzeuger für die Abnahm ihrer Produktionsüberschüsse zahlen, anstatt Geld zu bekommen. Tatsächlich nehmen konventionelle grundlastfähige Stromproduzenten (z.B. Kohlekraftwerksbetreiber) die befristeten Verluste jedoch in Kauf, weil das erneute Hochfahren ihrer Anlagen nach einer Abschaltung noch kostspieliger wäre.
Wie wirken sich negative Strompreise auf Verbraucher:innen mit Fixpreisverträgen aus?
Verbraucher:innen mit Fixpreisverträgen profitieren nicht von negativen Strompreisen, weil ihr Verbrauchspreis über die gesamte Tariflaufzeit festgelegt ist. Allgemeine Preisentwicklungen an der Strombörse können hier höchstens versetzt weitergegeben werden, etwa bei Vertragsverlängerung.
Was ist der Vorteil von dynamischen Stromtarifen wie bei Tibber in Bezug auf negative Preise?
Bei dynamischen Stromtarifen wie dem von Tibber zahlen Kund:innen den jeweils aktuellen Großhandelspreis des europäischen Day-Ahead-Markts. Was bedeutet, dass sie von negativen Energiereisen unmittelbar profitieren und in den betreffenden Stunden für ihren Verbrauch bezahlt werden.
Welchen Einfluss haben Steuern und Abgaben auf die Endpreisbildung?
Die in Deutschland üblichen Steuern, Abgaben und sonstige Umlagen machen einen großen Teil des Endverbrauchspreises aus und werden zum reinen Börsenpreis hinzugefügt. Negative Strompreise sind somit eher eine Seltenheit, auch wenn sie mit fortschreitendem Ausbau der Erneuerbaren zunehmen werden. Eine genaue Aufschlüsselung der Komponenten, die den Verbrauchspreis bilden, findest du hier.
Welche Rolle spielen dynamische Tarife in Bezug auf die Netzstabilität sowie Überproduktion von Strom?
Dynamische Tarife ermöglichen es Verbraucher:innen, direkt auf Preissignale zu reagieren. Indem einem Überangebot an Energie mit einer gesteigerten Nachfrage begegnet werden kann, wird das Netz auch insgesamt entlastet. Die empfindliche Netzfrequenz von 50 Hz bleibt gewahrt und Kund:innen zahlen für dieselbe Verbrauchsmenge weniger Geld bzw. werden bei Minuspreisen sogar für ihren Konsum bezahlt.