Das Elektroauto als Stromspeicher nutzen: Ein Konzept mit Zukunft?
Die Diskussion um E-Autos wird in diesen Zeiten durchaus hitzig geführt. Von drohender Netzüberlastung bis hin zu steigenden Preisen sollen EVs für einiges verantwortlich sein. Ein Aspekt, der hierzulande bisher eher eine Randnotiz ist, dem Ganzen jedoch eine neue Perspektive hinzufügt, liegt in ihrer Verwendung als mobile Batterie. Statt Strom verbrauchen also Strom abgeben! Wie man sich ein E-Auto als Stromspeicher vorzustellen hat, erklären wir dir im Folgenden genauer.
Stehende Autos, fließender Strom
Studien zufolge stehen die meisten E-Autos zwischen 22 und 23 Stunden am Tag rum. Warum sollte man seinem Stromer nicht auch in diesen unbewegten Zeiten einen praktischen Nutzen abgewinnen? Der Akku, der im Vehikel verbaut ist, ist je nach Modell schließlich eine ziemlich leistungsstarke Batterie. Diese Autobatterie als Stromspeicher zu begreifen und als solchen zu nutzen, ist vor allem für Haushalte mit Solaranlagen attraktiv. So verfügt man in sonnenschwachen Tagen über eine weitere Energiezufuhr, ohne auf externe Stromproduktion angewiesen zu sein. Die in starken Sonnenphasen produzierten Überschüsse können einfach zurückgegeben werden. Der Unabhängigkeitsgedanke von heimisch produzierter Solarenergie und das damit einhergehende Sparpotenzial kommen stärker zum Tragen.
Das E-Auto als zusätzlicher Speicher für Photovoltaik klingt spannend? Dann willst du sicher wissen, wie die praktische Umsetzung aussieht.
Ein Kabel, zwei Richtungen
Eins vorweg: Die Möglichkeit zur zweiseitigen Kommunikation ist prinzipiell sowohl hinsichtlich der Batterie als auch Ladeelektronik gegeben. Sie muss jedoch von den Herstellern über eine Software freigeschaltet werden. Auch ein passendes Kabel muss für den Rückfluss der gespeicherter Energie vorliegen.
In Deutschland ist derzeit auf der absoluten Höhe der Zeit, wer einen CCS-Stecker sein Eigen nennt. Das “Combined Charging System” erweitert den üblichen Typ-2-Stecker um zwei weitere Leistungskontakte. So kann sowohl mit Wechselstrom (AC) als auch Gleichstrom (DC) geladen werden. Das Auto lässt sich mit CCS-Steckern also an Schnellladesäulen anschließen. Doch egal welches Steckersystem die Deutschen letztlich verwenden, eins ist fast immer der Fall: es ermöglicht den Stromfluss nur in eine Richtung. Und zwar vom Energielieferanten – sei dies das Stromnetz oder eine PV-Anlage – hin zum Auto.
In Japan wurde deshalb die CHAdeMO-Technologie entwickelt. Der Name ist recht spielerisch und lässt sich sowohl als Abkürzung für “CHArge de Move” als auch als Referenz auf die Phrase “Lasst uns einen Tasse Tee während des Ladens trinken” begreifen. Die CHAdeMo-Kabel ermöglichen die Kommunikation zwischen Ladesäule und Elektroauto. So lässt sich regeln, wann Strom vom Akku abgezogen werden kann und soll. Bisher bieten nur wenige Hersteller Fahrzeuge an, die dafür geeignet sind. Dazu gehören Toyota, Mitsubishi, Kia oder Nissan. Tesla hält zudem für einige Modelle Adapter parat.
Bidirektionales Laden? Bidirektionale Wallbox!
Wallboxen sind praktisch, denn sie laden dein Elektroauto deutlich schneller. In Kombination mit Tibber-Strom und Smart Charging-Funktion tun sie das sogar automatisch zu den günstigen grünen Stunden des Tages. Was für das hier besprochene Szenario fehlt, ist jedoch eine bidirektionale Ladebox, die über einen Wechsler verfügt. Der Gleichstrom, mit dem alle E-Autos betrieben werden, muss schließlich wieder in Wechselstrom umgewandelt werden, bevor er dem Haus- oder öffentlichen Stromnetz nützlich sein kann. Momentan verkaufen wenige Firmen entsprechende Boxen. Zu diesen zählt etwa das spanische Unternehmen Wallbox. Eine bidirektionale Wallbox lohnt sich vor allem, wenn man sie mit einer Photovoltaikanlage und stationärem Batteriespeicher zu einem smarten Energiemanagementsystem verbindet. So kann der Akku des E-Autos sowohl mit Solarenergie geladen werden, aber auch Energie, die nicht zum Fahren benötigt wird, speichern und bei Bedarf zurück ins Hausstromnetz leiten.
Strom vom Auto ins Hausnetz oder öffentliche Netz
Strom bei entsprechender Ladeleistung zurückzugeben, ist vor allem in zwei Varianten sinnvoll.
V2H: Vom Fahrzeug zum Haus
“V2H” oder “Vehicle to Home” wird die Variante genannt, bei der gespeicherte Energie vom Auto zurück ins häusliche Stromnetz geleitet wird. Überschüssige Ladekapazitäten der Solaranlage können in zukünftigen Stunden mit geringer Eigenproduktion wieder aus der Reserve geholt werden. Das ist nicht nur maximal energieeffizient, sondern auch in finanzieller Hinsicht ein weiterer Schritt in Richtung Unabhängigkeit.
V2G: Vom Fahrzeug zum Netz
Hinter dem Kürzel “V2G” verbirgt sich wiederum die "Vehicle to Grid”-Variante. Statt in den eigenen Haushalt werden die Energieüberschüsse dabei ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Ein gerade für Stromanbieter attraktives Verfahren, weil die kurzfristig bereitgestellten Strommengen helfen, Stromschwankungen auszugleichen und Verbrauchsspitzen abzufangen. Auf lange Sicht könnten davon alle Verbraucher:innen profitieren, weil in der flexiblen Stromnutzung und -abgabe das Potenzial steckt, die Preise allgemein zu drücken. Dass dafür weitaus mehr bidirektionale Wallboxen und entsprechende Fahrzeuge existieren müssen, ist logisch. Auch stellt sich die Frage nach den Anreizen, eigens produzierten Strom freiwillig ans Netz zurückzugeben.
Potenzial vorhanden, Technik ausbaufähig
Ob sich bidirektionales Laden durchsetzen wird, bleibt fraglich. Denn die technischen Hürden und die damit verbundenen Preise fallen zurzeit sehr hoch aus. Sicher ist: eine flächendeckende Nutzbarkeit des Konzepts wäre ein großer Zugewinn für die Energiewende. Denn sowohl Einzelverbraucher:innen als auch die Allgemeinheit können auf diesem Weg zu einem stabilen und grüneren Strommix beitragen. Auch würde sich die nach wie vor kostspielige Anschaffung einer Photovoltaikanlage mit der Möglichkeit, sein E-Auto als Batteriespeicher zu nutzen, ein ganzes Stück schneller amortisieren.